Lieber Martin, Du hast bei uns zunächst erfolgreich Deinen Masterabschluss im Bereich Wirtschaftspsychologie absolviert. Herzlichen Glückwunsch dazu. Danach hast Du Dich für einen ganz besonderen Schritt entschieden: du bist nun bei uns am Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik als Promovierender viele Tage die Woche direkt bei uns. Lass uns einmal darüber etwas genauer sprechen.
Bleiben wir zunächst einmal bei Deinem Studium bei uns. Welche Veranstaltungen haben Dir persönlich besonders viel gebracht?
Dazu muss ich kurz ausholen: Was hat mich eigentlich zum Studium der Wirtschaftspsychologie bewegt? Vor dem Start meines Studiums im Jahr 2019 hatte ich bereits mehr als zwei Jahrzehnte in unterschiedlichen Finanz- und Controllingfunktionen des Siemens-Konzerns gearbeitet. Dort fiel mir immer wieder auf, dass auch strategische Entscheidungen oft nicht rational getroffen werden. Zwei Beispiele: Im Jahr 2007 arbeitete ich im Stammhaus in München in der Konzern-Strategie. Dort musste ich die Entscheidung vorbereiten, ob und wie eine Siemens-Tochtergesellschaft in Bolivien gegründet werden sollte. Anstatt sich auf reine Fakten und Geschäftszahlen zu konzentrieren, ging es in den Vorstandsdiskussionen aber über lange Strecken um persönliche Anekdoten zu diesem Thema, einzelne Erfahrungen in ganz und gar unterschiedlichen Situationen und sogar um persönliche Animositäten zwischen Vorstandsmitgliedern. Mich als jungen Mitarbeiter machte das sehr ratlos.
Zweites Beispiel: In meiner Zeit in Brasilien lag auch die Verwaltung des Pensionsfonds für lokale Mitarbeiter in meinem Verantwortungsbereich. Es handelt sich um ein sehr großzügiges Angebot betrieblicher Altersvorsorge, das mit hohen Zuschüssen vom Unternehmen subventioniert wird. Und trotzdem nimmt nur eine Minderheit der Mitarbeitenden dieses Angebot war. Darauf angesprochen, lautet die Antwort etwa: „Keine Zeit mich darum zu kümmern“, oder „Habe kein Geld übrig“. Dabei ist jedem bewusst, dass die staatliche Rente in Brasilien sehr gering ist.
Wegen dieser und ähnlicher Erfahrungen wollte ich verstehen, wie wir Menschen ökonomische Entscheidungen treffen. Warum entscheiden wir nicht rational? Welche Faktoren beeinflussen uns? Werden wir manipuliert? Und noch wichtiger: Sind wir dem Schicksal überlassen oder kann unsere Entscheidungsqualität verbessert werden? Daher haben mir die Veranstaltungen zur Verhaltensökonomik, zur Entscheidungstheorie, aber auch zum Konsumentenverhalten besonders viel gebracht.