Die Lage auf dem Arbeitsmarkt war in den letzten Jahren erfreulich gut. Aber wie sieht die Zukunft aus? Wird die deutsche Wirtschaft weiter wachsen und deshalb qualifizierte Arbeitskräfte in großer Zahl brauchen? Zweifel daran sind angebracht, sogar sehr große Zweifel. Ursache dafür ist die Art und Weise, in der die deutsche Politik – nicht nur die Bundesregierung – auf die Bedrohung des Klimawandels reagiert. Um zu sehen, dass das viel mit der zukünftigen Lage auf dem Arbeitsmarkt zu tun hat, muss man das Klimaproblem aus einer erhöhten Warte betrachten.
Vogelperspektive reicht dabei nicht, man muss den ganzen Globus in den Blick nehmen. Tut man das, erkennt man, dass der Klimawandel ein Problem ist, dem einzelne Länder oder kleine Gruppen von Ländern vollkommen hilflos gegenüberstehen. Ihr Einfluss auf das Klima ist zu gering, als dass sie durch eigenes Handeln irgendeine Wirkung auf die zukünftigen Temperaturen entfalten könnten. Das gilt auch für Deutschland und die EU. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Von 2020 auf 2021 stieg die globale CO2-Emission um das Dreifache der gesamten Emission Deutschlands. Wären wir 2021 klimaneutral geworden, wäre der Anstieg global immer noch doppelt so hoch ausgefallen, wie die gesamten Emissionen Deutschlands in 2020. Wir sind tatsächlich für das globale Klima praktisch ohne Bedeutung. Selbst die EU hätte nur einen sehr geringen Einfluss auf das Klima, wenn sie tatsächlich klimaneutral würde – aufhalten könnte sie die Erwärmung auf keinen Fall. Das ist zunächst einmal nicht mehr als die Beschreibung eines offensichtlichen Fakts. Die entscheidende Frage ist, welche Schlussfolgerungen man aus diesem Fakt zieht. Vorausgesetzt, man verfolgt das Ziel den Klimawandel aufzuhalten, sähe eine rationale Antwort auf diese Frage etwa wie folgt aus:
Es liegt nicht im Interesse eines einzelnen Landes, allein Klimaschutz zu betreiben, denn das Land müsste erhebliche Kosten tragen, ohne dass irgendjemand einen Vorteil hätte. Aber es liegt im Interesse aller Länder, dass alle Klimaschutz betreiben. Geschieht das, profitiert jedes Land von den Anstrengungen aller anderen und leistet im Gegenzug selbst Vermeidung von CO2, von der dann alle anderen profitieren. Die Lösung des Klimaproblems setzt also in diesem Sinne kooperatives Verhalten einer hinreichen großen Zahl von Ländern voraus. Zwei weitere Dinge müssen dazukommen. Erstens brauchen wir Instrumente, die dafür sorgen, dass die kooperierenden Länder eine kosteneffiziente Vermeidung betreiben können. Nur dann, wenn die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 minimiert werden, können die Lasten des Klimaschutzes getragen werden. Das erreichen wir, wenn wir einen CO2-Preis benutzen, der durch eine globale Steuer oder einen globalen Emissionshandel entsteht. Zweitens brauchen wir technischen Fortschritt, denn die bestehende Technik zur CO2-freien Stromerzeugung reicht nicht aus, bzw. hat gravierende Nachteile. Wir brauchen deshalb jede Form von Innovation, die hilft, CO2-frei Energie zu erzeugen, ohne dabei unerwünschte Nebenwirkungen zu entfalten.
Fassen wir zusammen: Wir brauchen internationale Kooperation, Innovation und einen CO2-Preis. Tut die deutsche Politik irgendetwas, um diese drei absolut notwendigen Dinge zu erreichen, die für einen gelingenden Klimaschutz gebraucht werden? Nein. Die Konsequenz, die in Deutschland aus dem eingangs geschilderten Fakt gezogen wird, sieht ganz anders aus: Da der Rest der Welt keinen oder zu langsamen Klimaschutz betreibt, müssen wir es eben machen. Wir tun deshalb so, als bestünde die Welt nur aus Deutschland und fordern, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral wird, weil nur so die Welt (=Deutschland) gerettet werden kann. Das ist der Grund, warum die Bundesregierung die Klimaziele als verbindliche Vorgaben in Gesetzesform gegossen hat und ihren Einfluss in der EU (der erheblich ist) in diesem Sinne geltend macht. Die Folge: Deutschland ist gezwungen das gesamte Land, alle Bereiche, alle Sektoren bis 2045 zu dekarbonisieren. Das geht nur mit der Brechstange.
Wer schon einmal mit einer Brechstange gearbeitet hat, weiß, dass dabei einiges kaputtgehen wird. Das ist bei der Klimapolitik nicht anders. Das liegt daran, dass Dekarbonisierung in einem Land, dass 80 Prozent seiner Energie (d. h. nicht nur Strom) nach wie vor aus fossilen Brennstoffen bezieht, extrem teuer ist. In jüngster Zeit bekommen wir eine Ahnung davon, welche Dimensionen das annimmt. Unsere Klimaziele erzwingen, dass wir alle fossilen Heizungen ersetzen. Wie teuer das ist, wenn man als Alternative nur Wärmepumpen hat, bekommen wir gerade zu spüren. Für Eigenheimbesitzer stehen Kosten jenseits der 30.000 Euro Untergrenze an. Für Mehrfamilienhäuser wird es extrem schwierig und aufwändig und für die Mieter entsprechend teuer. Die Wärmepumpen kommen als zusätzliche Stromverbraucher ans Netz, das, damit die Klimaziele erreicht werden können, mit entsprechendem CO2-freiem Strom versorgt werden muss. Woher der kommt ist unklar, klar ist nur, dass es schon wieder teuer wird. Wind- und Solarenergie sind schon teuer genug, reichen aber nicht. Wir brauchen zusätzlich enorme Speicheranlagen, die den Strompreis mindestens verdoppeln, weil durch die Zwischenspeicherung mindestens die Hälfte der Energie verlorengeht. Aber die Heizungen sind nur die Spitze des Eisberges. Dazu kommt die Elektrifizierung des Verkehrs, die Dekarbonisierung der Schwer- und aller anderer Industrien. Allein die Elektrifizierung der Chemischen Industrie wird den Strombedarf Deutschlands verdoppeln.
Alle diese Maßnahmen sind für sich genommen unwirtschaftlich, weil die Energieeinsparungen längst nicht ausreichen, um die enormen Kosten zu decken. Freiwillig wird deshalb niemand etwas tun. Natürlich kann man Zwang einsetzen (siehe die Heizungen), aber das hat spätestens bei der Industrie Grenzen. Die reagiert auf Zwang nämlich mit Abwanderung oder Schließung. Deshalb kann sie die Regierung dank der Klimaziele wunderbar erpressen: „Ihr wollt, dass wir klimaneutral werden? Dann zahl dafür.“ Genau das passiert gerade. Vor wenigen Wochen hat der Wirtschaftsminister der Salzgitter AG einen ersten Förderbescheid über eine Milliarde Euro feierlich überreicht. Damit soll ein Stahlwerk dekarbonisiert werden. Randbemerkung: Stahlwerke unterliegen dem Emissionshandel. Das bedeutet, dass die teure Dekarbonisierung in Deutschland keinen Rückgang der CO2-Emissionen bewirken kann, weil die Menge der europäischen Emissionsrechte unverändert bleib. Aber wen interessiert das schon. Unser Ziel ist es ja nicht, den Klimawandel zu bekämpfen, sondern klimaneutral zu werden – was nun einmal nicht das Gleiche ist.
Im Ergebnis wird es darauf hinauslaufen, dass der Staat den größten Teil der Kosten tragen muss. Da die öffentlichen Haushalte schon jetzt am Limit sind, wird es zu massiven Einschränkungen an anderer Stelle kommen. Zuerst bei der Bildung (die kann sich am wenigsten wehren), dann bei den Investitionen (da fällt es erst mit Verzögerung auf) dann bei den Sozialleistungen (sorry, geht nicht anders). Auch die Einnahmen werden steigen müssen, die Steuerlast wird noch größer, die Energiepreise werden weiter steigen (da sind wir zwar schon Weltmeister, aber was soll‘s). Das alles wird zu Lasten des Standortes Deutschland gehen und zwar massiv. Wachstum ist unter diesen Bedingungen kaum noch zu erwarten. Die Arbeitsnachfrage wird zurückgehen. Auch deshalb, weil wir international die falschen Signale setzen. Wir brauchen kooperatives Verhalten vieler Staaten. Aber wir betreiben eine werteorientierte Außenpolitik. Was nichts anderes bedeutet, als dass wir die anderen Länder gegen uns aufbringen, indem wir ihnen erzählen, dass sie gefälligst unsere Werte zu teilen haben. Kooperation erreicht man so nicht – im Gegenteil, man treibt wichtige Staaten, die andere Werte haben als der Westen (China, Indien, die arabischen Staaten) in eine Allianz der nicht demokratischen Länder. Das ist nicht in unserm Interesse, denn unser Wohlstand hängt in hohem Maße davon ab, dass diese Länder bereit sind, mit uns Handel zu treiben.
Alles zusammengenommen, wird es wahrscheinlich zu einem wirtschaftlichen und sozialen Desaster kommen, wenn wir weiter an den Klimazielen festhalten. Diese Ziele sind keine Lösung für das Klimaproblem, sie sind selbst ein Problem. Die Moral von der Geschichte: Intensive Weiterbildung lohnt sich, denn die Bedingungen des Arbeitsmarktes der Zukunft werden alles andere als rosig sein – auf beiden Seiten des Marktes. Und dann gilt, was immer galt: Die besser ausgebildeten werden die besseren Chancen haben.